0
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783312003518
Sprache: Deutsch
Format (T/L/B): 1.9 x 21 x 13 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Dies ist die Lebensgeschichte von Siegfried Kuhn. Am Ende einer Nachkriegskindheit am Bodensee beginnt er leidenschaftlich zu essen und zu kochen. Nach vielen Jahren des Tüftelns und Probierens entwickelt er ein verblüffendes Rezept. Bis heute wartet er auf seine Entdeckung. Der Reporter Erwin Koch, der für seinen Erstling "Sara tanzt" den Mara-Cassens-Preis erhielt, erzählt dieses aussergewöhnliche Schicksal in einem Roman.

Autorenportrait

Erwin Koch, geboren 1956, lebt im Luzerner Seeland. Er arbeitete als Redaktor, seit 2002 als Reporter für das Tages-Anzeiger Magazin, dazwischen für Die ZEIT, GEO und das F.A.Z. Magazin, 1999 bis 2002 für den Spiegel. Ausgezeichnet u.a. zwei Mal mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis und dem Mara-Cassens-Preis. Bisher bei Nagel & Kimche: Sara tanzt. Roman (2003).

Leseprobe

Wir behielten die Mäntel an, wenn es Nacht wurde, Februar 1963, wir froren in unseren Betten, Eisblumen am Fenster zur Donau, Eis im Eimer, der neben dem Waschbecken stand, seit November war es kalt, windstill in Württemberg. Samstags, wenn ich nach Friedrichshafen musste, Berufsschule, stand ich um vier Uhr auf, die zwei Äpfel, die ich mitnahm, legte ich am Abend zuvor in mein Bett, damit sie nicht gefroren. Dann, einen Sack auf dem Rücken, den Kopf in Schal und Kragen versteckt, ging ich durchs Ried, setzte mich in Ertingen in den ersten Zug, 05:41, stieg in Herbertingen in den Zug, der von Sigmaringen kam, stieg ein zweites Mal um in Aulendorf, Friedrichshafen erreichte ich kurz vor acht. Seit Wochen war der Bodensee gefroren, ich noch nie auf dem Eis gewesen, die Fähren fuhren nicht mehr. Am späten Nachmittag, als ich zurück sollte, rief ich Moser an, Moser hatte Telefon, 881247, und verlangte meine Mutter. Die sei nicht da, sagte Marieluise Moser, sei mit Günther unterwegs in Sigmarinen, den alten Leuten, die nicht mehr aus den Häusern könnten in diesem von Gott verlassenen Winter, Wurst und Fleisch zu bringen. Richten Sie Mutter aus, ich käme erst um Mitternacht wieder. Sie spielten Blasmusik, schritten in Fünferkolonnen über den gefrorenen See, an ihre Schuhe hatten sie Topflappen gebunden, Putzzeug aus Metallwolle, damit sie nicht rutschten, sie schritten in den See hinaus, blasend, stampfend, ein Fest, zehn Fackelträger links, zehn rechts, eine Fahne, es war Nacht und Eis, ich folgte, der Musikverein Tettnang auf dem Bodensee, der bebte und zitterte, Dutzende neben mir, hinter mir, ihre Gesichter glühten vor Kälte und Lust, ich fror nicht, niemand fror, es war Samstagnacht, und ich war glücklich. Jemand sagte: Bald sind wir in der Mitte des Sees. Dort gibt's Wunschkonzert. Der Umzug wurde langsam und stand endlich still, der Dirigent stellte sich vor die Truppe, er verbeugte sich tief, alle klatschten. Donner und Doria, schrie jemand. Der Dirigent hob den Stock, Donner und Doria, die Trommler wirbelten ihr Besteck. Den Konradadenauermarsch. Konradadenauermarsch. Ich schrie: Wopbabaluba. Gegen zehn Uhr, vom Ufer her, kam ein Auto gefahren, ein Borgward Goliath, Schneeketten um die Räder, der einen Anhänger zog. Ein Mann stieg aus, Kimmel, mein hinkender Klassenlehrer an der Berufsschule, Ernährungslehre und Warenkunde, er stellte zwei Tische aufs Eis, eine Gasflasche, er lud drei schwere Pfannen aus, vier große Schüsseln, flüssigen Teig darin, Kimmel, in der Mitte von See und Nacht, kochte Pfannkuchen, eine Deutsche Mark das Stück. Ich hatte kein Geld und schämte mich. Ging in langsamen Kreisen um die Pfannen und ihre Kuchen, von der Dunkelheit geschützt, dass Kimmel mich nicht erkannte, ich kreiste um die Pfannen, ich schnüffelte, schnupperte, ich atmete, ich ging, hungerte, hatte kein Geld, keinen Mut. Aber jetzt!, schrie Kimmel, mein hinkender Lehrer, der mich nicht erkannte, meine Damen und Herren, ein Feuerwerk zur Feier des Lebens, zwei Mark das Stück, Crêpes Suzette, Grand Marnier zum Parfümieren, Cognac zum Flambieren! Leseprobe

Schlagzeile

Wir glauben gerne an Wunder, doch wenn sie geschehen, gehen sie nicht immer gut aus.